SWISSCOY: Von Wiesenberg nach Prizren

Die Nidwaldnerin Isabella Niederberger (28) leistete ihren Einsatz als Kompaniekommandantin im Kosovo. Sie erzählt, wie sie sich weit fern der Heimat unter Männern durchsetzt.

Sasa Rasic
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Isabella Niederberger (Bildmitte) im Kosovo: «Nach zwei intensiven Einsätzen im Kosovo interessiere ich mich natürlich für die Zukunft und Entwicklung dieses Gebiets.» (Bilder Swissint)

Isabella Niederberger (Bildmitte) im Kosovo: «Nach zwei intensiven Einsätzen im Kosovo interessiere ich mich natürlich für die Zukunft und Entwicklung dieses Gebiets.» (Bilder Swissint)

Saftige, grüne Hügel und steile Gipfel, die unweit in die Höhe ragen. Zumindest was Bergpanorama und Aussicht betrifft, gibt es im kosovarischen Prizren Vergleichbares für Major Isabella Niederberger, die aus Wiesenberg stammt. Die südkosovarische Stadt Prizren liegt nahe Mazedonien und damit dem Grenz-Gebirgszug Sar Planina, der Höhen von über 2000 Metern erreicht. Doch Parallelen zur Heimat zu finden war überhaupt kein Kriterium für ihren Entscheid, den Dienst bei der Swisscoy im Kosovo anzutreten. «Ich wollte einfach mal etwas ganz anderes machen», sagt die 28-Jährige. Und das führte sie in das Militärcamp nahe Prizren. Einer Basis, welche von deutschen, österreichischen und schweizerischen Truppen benutzt wird. Als ranghöchste Angehörige der Schweizer Armee auf Platz schaut sie, dass bei den hier stationierten Truppen der Swisscoy – wie etwa dem Pionier-zug, der für allgemeine Bauvorhaben zuständig ist – alles seine Ordnung hat.

Mit ernstem Blick

Um zu erkennen, dass Isabella Niederberger ihre Truppe im Griff hat, reicht ein Rundgang im Camp von Prizren. Egal, ob ein Detail am Tenü nicht vorschriftsgemäss ist oder etwas nicht richtig gemacht wird, einer ihrer ernsten Blicke reicht meistens, um auch den stämmigsten Angehörigen der Armee zur Ordnung zu mahnen. Falls der fixierende Blick mit der leicht nach vorne geneigten Stirn nicht reicht, löst spätestens die Anrede mit Rang und Nachnamen jegliche Probleme. Die Stimme muss sie kaum einmal erheben.

Im Alter ruhiger

«28 Jahre, weiblich, blond und 1,64 Meter gross. Damit ist man nicht gerade automatisch eine Respektsperson», sagt sie. «Als junger Offizier führt man oft mit dem Stimmorgan, je lauter und aggressiver, desto besser. Das habe ich auch so angewandt Anfang zwanzig. Wenn man älter wird und seine Führungserfahrungen sammelt, wird man ruhiger, aber bleibt stets bestimmt.»

Wahrscheinlich muss sie sich bei den meisten, die ihren Hintergrund kennen, aber auch keinen Respekt mehr verschaffen. Als gelernte Schreinerin mit Erfahrung als Zeitsoldatin und den Kenntnissen aus einem bereits früher absolvierten Swisscoy-Einsatz ist allen klar, dass sie weiss, wovon sie spricht. Für ihre Aufgabe im Einsatz habe ihr aber auch der Dienst bei der Feuerwehr viel gebracht: «Dort ist klar: Wenn es brennt, muss einer die Verantwortung respektive die Führung übernehmen. Wenn alle einfach los springen und jeder unkoordiniert irgendetwas macht, ist das Ereignis kaum zu bewältigen.»

Der Führungsstil scheint zu wirken. Als Kompanie-Kommandant geht man als Beispiel voran, lebt vor, was man von den Unterstellten fordert. Eine im Führungsstil eigene Linie zu haben und diese bis zum Schluss durchzusetzen, ist wichtig, damit alle wissen, was verlangt wird an Verhalten und Auftreten.

Für alles verantwortlich

Im Gespräch wirkt Isabella Niederberger sehr freundlich, aber auch immer etwas vorsichtig – was wahrscheinlich auf den Job zurückzuführen ist. «Es ist wirklich intensiv. Man übernimmt Verantwortung für die Angehörigen der Armee – und das ohne Pause», sagt sie. «Wenn man sechs Monate miteinander arbeitet, lebt und dies noch 1200 Kilometer von zu Hause entfernt, werden die Probleme meiner Soldaten automatisch persönlich und haben nur noch wenig mit dem Dienstbetrieb zu tun. Auf militärische Probleme kann man mit Hilfe der Vorschriften und Reglemente eine ganz klare Antwort liefern. Bei persönlichen Problemen kommen dann das Feingefühl und die Menschenkenntnis zum Zug. Mich hat es oft berührt, wenn meine Unterstellten mit ihren persönlichen Problemen an mich heran getreten sind. Dies war für mich ein wahrer Vertrauensbeweis.»

Doch wenn es um das Thema Pferde geht, spricht sie ohne jegliche Vorbehalte. Niederberger hat ihre Rekrutenschule als Train-Soldat absolviert und besitzt auch selbst zwei Pferde. So erfährt man als Laie viel Unbekanntes über die Tiere. «Wissen Sie, wie man ein umgefallenes, voll beladenes Pferd davor schützt, sich beim Wiederaufstehen mit der schweren Last selbst zu verletzen? Man muss sich über den Kopf legen», sagt sie. Da Pferde mit Kopf und Hals Schwung holen müssen, um wieder aufzustehen, könne man sie so am Boden behalten, bis der Ballast entfernt wurde.

Eine Erfahrung, die verändert

Jetzt, wo das Ende ihres Dienstes gekommen ist, zieht sie Bilanz. «Es ist schon eine einzigartige Erfahrung, im Kosovo zu dienen. In der Schweiz ist das öffentliche Leben in den Kommunen und Kantonen sauber organisiert wie etwa die Abfallentsorgung, Schulen oder Notfallorganisationen. Was im Einsatzgebiet nicht selbstverständlich ist», sagt sie. Ein Kulturschock für jemanden aus der Schweiz: «Es tut allen gut, zu erleben, was es heisst, einmal ohne unseren hohen Standard und Komfort auszukommen. Man schätzt dann die Heimat und unsere teils sture Struktur umso mehr.»

Ein Flugzeug für sich selbst

Doch die grösste Herausforderung ist der Dienst selbst. Und das schon vor der Abreise: «Man stellt sich die Frage: Was brauche ich, um sechs Monate weg sein zu können? Als ich das erste Mal alles ausgelegt habe, hatte ich das Gefühl, ich bräuchte das ganze Transportflugzeug für mich selbst», sagt sie und lacht. Aber auch das Familiäre musste geregelt werden: «Es gibt im Voraus viel zu regeln wie Postverkehr, Bezahlen von Rechnungen, Auto abmelden und einstellen, Versicherungen justieren, was mach ich mit meinen Pferden in der Zeit, Kontaktdaten weiterleiten. Da war mir meine Familie eine sehr grosse Hilfe, jeder wusste, wie in meiner Abwesenheit zu entscheiden und handeln war.

Ohne Familie und Privatsphäre

Viele Aussenstehende würden den Swisscoy-Dienst manchmal unterschätzen, ist sie überzeugt. «Es ist nicht immer einfach, mit 85 Kameraden auf engstem Raum zu arbeiten und zusammen zu leben. Mann kann einander nicht aus dem Weg gehen während sechs Monaten», sagt Niederberger. «So muss man mit jedem seinen Weg finden.» Man verzichtet auf viel wie Familie und Privatsphäre. Und auch die Beziehung müsse ein halbes Jahr aus der Distanz aufrechterhalten werden. Doch das Wichtigste sei für sie, dass es in ihrer Zeit keine schlimmen Unfälle gegeben hat und sie alle ihre Soldaten wohlauf nach Hause bringen konnte.

Das Interesse bleibt

Major Isabella Niederberger ist vor zwei Wochen von ihrem Einsatz im Kosovo zurück in die Schweiz gekehrt. Wie es nun für sie nach dem Dienst in der Swisscoy weitergeht, ist noch nicht definitiv geregelt. Was das zivile Leben betrifft, wäre ihr eine Weiterbildung in der Arbeit mit Pferden wie etwa Pferdephysiotherapeutin am liebsten. «Die Arbeitssuche läuft zurzeit im zivilen und militärischen Bereich», sagt Isabella Niederberger.

Was hingegen klar ist: Ihr Interesse am Kosovo höre mit dem aktuellen Dienst nicht auf. «Nach zwei intensiven Einsätzen im Kosovo interessiere ich mich natürlich für die Zukunft und Entwicklung dieses Gebiets», sagt sie.

Hinweis

Besuchs- und Informationstag zu 25 Jahren UNO-Einsätzen der Schweizer Armee heute Samstag von 10 bis 16.30 Uhr auf dem Swissint-Gelände in Stans/Oberdorf.