Kurt Küchler aus Alpnach ist Maschinist bei der SGV. Sein Arbeitsplatz ist zwischen den Feuerungen und der mächtigen Dampfmaschine.
Luzern, Landungssteg 1: Die «Stadt Luzern» steht zur Abfahrt bereit. Trotz des misslichen Wetters an jenem Vormittag strömen zahlreiche Passagiere auf die Decks. Im Maschinenraum des Dampfschiffes tief im Schiffsrumpf steht Maschinist Kurt Küchler bereit für die Befehle von Kapitän Kuno Stein. Über eine Anzeige in seinem Blickfeld, den so genannten Telegrafen, wird ihm von der Brücke her mitgeteilt, wie schnell er fahren muss und ob vorwärts oder rückwärts. Küchler quittiert ein Summersignal und gibt so zu erkennen, dass er bereit ist. Auf einem kleinen GPS-Bildschirm lässt sich die Position des Schiffs verfolgen, ein Tourenzähler meldet die Drehgeschwindigkeit der grossen Kurbelwelle mit den Schaufelrädern.
Zunächst fährt das Flagschiff der Schifffahrtsgesellschaft des Vierwaldstättersees (SGV) mit halber Kraft. «Im Luzerner Seebecken dürfen wir nicht mit der vollen Geschwindigkeit fahren», erklärt der Alpnacher nach dem Ablegemanöver. Schon nach wenigen Minuten der erste Halt: Station Verkehrshaus. In rascher Folge kommen die Anweisungen von der Brücke. Kurt Küchler regelt die mächtige, 1300 PS starke Maschine mit dem langen Fahrhebel. Die Geschwindigkeit verringert sich, zum Bremsen lässt er die mächtigen Schaufelräder rückwärts drehen. Dann heisst es «Maschine stopp» – punktgenau beim Landesteg.
Einige Augenblicke später kündigt eine Glocke im Telegrafen einen neuen Befehl an. Kurt Küchler schiebt den Hebel nach vorne – das 415 Tonnen schwere Schiff setzt sich in Bewegung. Manöver, die viel Erfahrung voraussetzen, denn die verschiedenen Drucke der Dampf- und Ölkreisläufe müssen genau stimmen. Eine ganze Batterie von messingfarbenen Manometern liefern Küchler die notwendigen Informationen.
Kurt Küchler ist heute zusammen mit Heizer Manuel Tanner eingeteilt. Tanner reguliert unter anderem die vier Feuer der zwei grossen Dampfkessel. Bis 1954 wurde noch mit Kohlen eingeheizt, heute sorgt Heizöl leicht für den Vortrieb. Gut 2000 Liter benötigt das Schiff für die Strecke Luzern–Flüelen retour.
Wegen der Kessel ist es warm im Maschinenraum. Es sei vergleichsweise angenehm, meint Küchler. Das hat zunächst damit zu tun, dass die Aussentemperatur an dem verregneten Morgen kaum 20 Grad erreicht. Zudem haben die Maschinisten bei der «Stadt Luzern» die Möglichkeit, über ein Oberlicht für zusätzliche Belüftung zu sorgen. Über die grossen Belüftungsrohre tropft auch Regenwasser auf die blitzblank polierten, lackierten Holzplanken. Einige Tage zuvor sei das noch ganz anders gewesen. Bei 30 Grad und mehr Aussentemperatur komme man tüchtig ins Schwitzen. «Obschon wir keine körperlich anstrengende Arbeit machen», stellt Kurt Küchler fest. «Dann ist es einfach wichtig, viel zu trinken.» Der Maschinenraum der «Stadt Luzern» macht einen geräumigen Eindruck. Auf den anderen Dampfschiffen sei es enger – und wärmer, weiss Küchler.
Der Maschinist ist 64 Jahre alt. Im kommenden Juni erreicht er das Pensionsalter. «Die Saison 2015 werde ich aber noch zu Ende fahren», hält er fest. Angefangen hat sein Berufsleben mit einer Mechanikerlehre im Kanton Nidwalden. Anschliessend machte er bereits Bekanntschaft mit Schiffen: Als Maschinist auf Hochseeschiffen war er während 18 Jahren auf den Weltmeeren unterwegs. Als sich abzeichnete, dass seine Arbeitgeberin in Schieflage geraten könnte, meldete er sich auf die ausgeschriebene Stelle eines Maschinisten bei der SGV. Seit 1988 arbeitet er auf dem Vierwaldstättersee.
Wieder summt der Telegraf. Die Anfahrt auf Weggis steht bevor. Und die Sprachrohre aus Messing, deren drei Hörner unmittelbar neben dem Kopf des Maschinisten enden? «Die brauchen wir auch heute noch», erklärt Küchler. Etwa wenn der Telegraf einmal ausfallen sollte oder wenn es etwas mitzuteilen gibt, für das die Möglichkeiten des Telegrafen nicht ausreichen.
Wenn die Dampfer im Herbst aus dem fahrplanmässigen Betrieb genommen werden, geht den 14 Maschinisten der SGV die Arbeit aber noch lange nicht aus. Wartungsarbeiten an den Maschinen und übrigen Einrichtungen stehen an. Kurt Küchler weiss von ziemlich jeder der unzähligen Rohrleitungen wozu sie da ist. Verschiedene Wände hängen voll mit Schraubenschlüsseln in jeder Grösse und weiteren Werkzeugen. «Wir machen aber hier keine Schlosserarbeiten, wie man vielleicht vermuten könnte», betont Kurt Küchler. «Ganz im Gegenteil: Feinmechanik ist angesagt. Viele der Bauteile der Dampfmaschine haben ganz enge Toleranzen.» Muss ein Teil der 85-jährigen Maschine ersetzt werden, stellen es die Maschinisten meist selbst her. «Es ist ein zusätzlicher Reiz, etwas selber machen zu können, das nicht einfach so auf dem Markt erhältlich ist», sagt Küchler begeistert. Und gibt Volldampf in Richtung Vitznau.
Hinweis
In unserer Sommerserie «Kalte Berufe – heisse Berufe» stellen wir in loser Folge Berufsleute und ihren hitzigen oder kühlen Arbeitsort vor. Abonnenten finden die Beiträge auch unter www.obwaldnerzeitung.ch/serien. Bereits erschienen: Metzger (10. 7.), Tunnelbauer (16. 7.), Strassenbauer (26. 7.), Museumsbetreuer (30. 7.)