Ob-/Nidwalden
Die Polizei ist nicht zufrieden, obwohl die Zahl der Unfälle seit Jahren sinkt

Die Polizeikorps aus Ob- und Nidwalden publizieren koordiniert die aktuellen Unfallzahlen. Eine Analyse zeigt, dass gerade Ablenkung am Steuer immer wieder zu Unglücken im Strassenverkehr führt. Fürs 2021 kündigen die Kapos erneut gezielte Kontrollen an.

Anian Heierli
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Schweizweit nimmt die Mobilität auf den Strassen seit Jahren zu. Trotzdem sinken die Unfallzahlen in Ob- und Nidwalden im langfristigen Vergleich. Das zeigen die neusten Statistiken, die am Mittwoch publiziert wurden. Dennoch sind die beiden Kantonspolizeien nicht zufrieden: «Grundsätzlich ist jeder Unfall einer zu viel», heisst es auf Anfrage. Das gemeinsame Credo lautet: «Unsere Strassen sollen so sicher sein wie möglich.» Deshalb setzt die Polizei in beiden Kantonen auf Präventionsarbeit und Kontrollen.

«Die Fahrzeuge werden immer sicherer»

In den Neunzigern gab es in Obwalden pro Jahr oft deutlich mehr als 300 Verkehrsunfälle. 1993 war Spitzenreiter mit 417 Unfällen. Zum Vergleich: Im Jahr 2020 waren es 235 – also gut 40 Prozent weniger. Martin Kathriner, Leiter der Obwaldner Verkehrs- und Sicherheitspolizei, kommentiert die Entwicklung: «Die Fahrzeuge werden immer sicherer, was zum Rückgang führt. In den letzten Jahren verbesserte sich auch die Aus- und Weiterbildung. Heute müssen Neulenker etwa die obligatorische Weiterausbildung (WAB) besuchen.»

Am 10. Juli 2020 prallten in Ennetmoos ein Rennvelo und ein Autofahrer ineinander.

Am 10. Juli 2020 prallten in Ennetmoos ein Rennvelo und ein Autofahrer ineinander.

Bild: PD/Kapo Nidwalden

Der Chef der Verkehrspolizei führt weitere Gründe an: «Auch die Strassen mit ihrem Geschwindigkeitsregime wurden besser.» Mehr Radarkontrollen mache die Polizei aber nicht. Dafür forciert man präventive Massnahmen wie Kampagnen. So soll es auch in diesem Sommer entlang der Passstrassen Plakate geben, die zur Vorsicht mahnen.

In Obwalden gab es 2020 einen tödlichen Verkehrsunfall und 85 Verletzte. Auch das ist weniger als früher. In den Neunzigern und Nullerjahren waren es konstant mehr als 100. Hängen die aktuell tiefen Zahlen mit der Pandemie und dem Lockdown im März/April zusammen? «Wir hatten sicher weniger Tourismusverkehr», sagt Kathriner. «In Vorjahren hatten wir mehr Unfälle mit Beteiligung von ausländischen Verkehrsteilnehmern.» Auch Reisebusse waren so gut wie keine unterwegs, während in den Vorjahren täglich rund 120 Cars über den Brünig fuhren.

Deutlich mehr Schweizer auf den Passstrassen als sonst

Demgegenüber zog es die Schweizer verstärkt auf die Passstrasse. «Das sorgte am Wochenende und in den Ferien für Mehrverkehr», sagt Kathriner. Für ihn ist klar, dass der Grossteil aller Unfälle vermeidbar ist. Gerade mit Blick auf die häufigsten Ursachen: Ablenkung, die oft mit ungenügendem Abstand einhergeht, überhöhtes Tempo, Alkohol am Steuer und Missachtung des Vortritts. Sein Fazit: «Unaufmerksamkeiten entscheiden darüber, ob etwas passiert oder nicht.» In diesem Sinne wolle man auch künftig helfend und erziehend Einfluss nehmen.

In Nidwalden ist die Lage ähnlich. Die Anzahl Verkehrsunfälle liegt unter dem Schnitt der vergangenen 10 Jahre. Wie Kathriner nennt auch der hiesige Leiter der Verkehrs- und Sicherheitspolizei, Marco Niederberger, als Grund Fortschritte an Fahrzeugen und Strassen. Besonders freut ihn der Rückgang von Unfällen auf der Autobahn und Autostrasse. 2020 gab es in Nidwalden auf der A2 und der A8 insgesamt 39 Unfälle. 2019 waren es noch 64. «Die Temporeduktion auf 60 km/h auf der Autobahn in Hergiswil wegen der Baustelle hat sich bewährt», sagt Niederberger.

Am 22. Januar verursachte eine PW-Lenkerin in Beckenried einen Selbstunfall. Sie verlor die Kontrolle über ihr Fahrzeug.

Am 22. Januar verursachte eine PW-Lenkerin in Beckenried einen Selbstunfall. Sie verlor die Kontrolle über ihr Fahrzeug.

Bild: PD/Kapo Nidwalden

2020 gab es aber nicht mehr Kontrollen im Strassenverkehr. Eher das Gegenteil war der Fall:

«Wegen der Pandemie musste das Personal verstärkt im Bereich der Sicherheitspolizei eingesetzt werden.»

Konkret gab es in Nidwalden im Jahr 2020 insgesamt 210 Unfälle, einen tödlichen und 100 Verletzte. Seit 1990 kam es durchschnittlich pro Jahr zu 292 Unfällen, zwei mit Todesfolge und insgesamt 111 Verletzte. Trotz steigender Mobilität also eine Abnahme. Für Niederberger gibt es hier möglicherweise sogar einen direkten Zusammenhang. Seine Überlegung: «Wenn die Strassen voller sind, kommt es zu weniger Tempoüberschreitungen, weil dazu schlicht der Platz fehlt.»

Polizei betont: «Beide Hände gehören ans Steuer»

Die Hauptunfallursachen liegen wie bereits in den Vorjahren bei Unaufmerksamkeit/Ablenkung (61), Missachten des Vortritts (31), Fahrunfähigkeit durch Medikamente, Drogen oder Alkohol (28), Fahrfehler (20) oder überhöhter Geschwindigkeit (17). «Unter Ablenkung fallen unter anderem das Telefonieren mit dem Handy, SMS- oder Whatsapp-Schreiben», erklärt Niederberger. «Es kommt aber auch vor, dass Fahrzeuglenker Lieferscheine lesen, essen und trinken.» Er sagt dazu: «Man lernt es in der Fahrschule: Beide Hände gehören ans Steuer.»

Niederbergers Fazit: «Ein grosses Ziel der Polizei für 2021 ist es, die Einhaltung der geltenden Verkehrsvorschriften, insbesondere die Unaufmerksamkeit und Ablenkung und die Missachtung des Vortrittsrechts regelmässig zu kontrollieren.» Auch Kontrollen zur Einhaltung der Tempolimiten und der Fahrfähigkeit werde man weiterhin grosse Aufmerksamkeit schenken.