Kolumne
Kulinarische Träume und Albträume

Frisch, fein und fröhlich: So mag es «Ich meinti»-Kolumnist Herbert Huber auf dem Teller. Dafür kriegt er Albträume, wenn Dekoration und Design mehr zählt als der Geschmack.

Herbert Huber
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Herbert Huber, Koch, dipl. Hotelier und Buchautor aus Stansstad.

Herbert Huber, Koch, dipl. Hotelier und Buchautor aus Stansstad.

Bild: Nidwaldner Zeitung

Es liegt wohl auf der Hand, dass ich in der Nacht manchmal von meiner Zeit als Gastgeber träume. Irgendwo noch ein Bankett schmeisse (meistens erfolgreich) oder – wie kürzlich – grosse Platten mit frischem Gemüse aus dem Garten zubereite. Ich träume von lindem Gemüse mit Schweizer Anken dran oder mit feinstem Olivenöl abgeschmeckt. Nicht von einem geschmacklosen Schmarren auf dem Teller. Broccoli und immer wieder der Kohl mit den Blumen aus der Tiefkühltruhe – und all das andere im Dämpfer lieblos regenerierte Zeugs.

Dann die Tomate, mal mit Käse, mal mit Panierbrot und «Chrüütli» vermischt überbacken. Das ganze Jahr hindurch, ob Saison oder nicht. Almería in Spanien und die Treibhäuser lassen grüssen. Jeder Koch weiss, dass der Dämpfer nicht kochen kann. Alles kommt so raus, wie es in den Kasten reinkam. Ein Fächer Minikefen, ein Minikürbis, ein Minizucchini aus der Gemüsezucht. Und dann diese grausamen Keniaböhnchen, fünf Stück, zwei Zentimeter lang. Kohlrabi ohne Geschmack und Spargeln mitten im Sommer. Das war doch einmal? Nein, es ist auch jetzt. Immer noch mehr.

Ich wälze mich im Bett und mache dabei ein «rüüdiges» Durcheinander mit Duvet und Kopfkissen. Denn, nun verfolgen mich urplötzlich Ravioli, Maultaschen, Mezzalune und Co. Wer diese Dinger mit geschmortem Rindsbraten füllt, der sei ein «Volltubel», ein Vorgestriger, ein Kochantiquar, belehrte mich neulich ein Koch mit einer «gfürchigen» überdimensionalen Kochkelle. Nein, heute füllen echte Küchendynamiker ihre dickteigigen Ravioli mit Spargelspitzen, mit Bramata und mit Kartoffeln. Wenn ein hauchdünner Teig drum wäre, ginge das noch. Aber wenn das so weitergeht, kommt wohl schon bald «Chriesibrägel» oder Mettwurst in die Ravioli.

Der Traum wird definitiv zum Albtraum. Nur geiles Design zählt und Dekorationen, die vom Geschmack ablenken. Oder wie ist es mit den vielen Fischen aus der Zucht? Den Crevetten aus den umfunktionierten Reisfeldern Vietnams. Nicht weil die Einheimischen es wollen, sondern die Händler. Weil das Züchten von Crevetten mehr «Batzelis» geben soll. Dann das spottbillige Hühnerfleisch, welches um den halben Erdball gekarrt und bei uns mit einer saftigen Marge verhökert wird. Cordons bleus werden so dünn geklopft und mit Industrieschinken gefüllt, und das Gelbe, das rausquillt, dem sagen die Macher Käse.

Ganz offen, ich mag das alles nicht mehr. Ich mag nur noch das fein und sorgfältig Gekochte. Das Ursprüngliche. Das differenziert Abgeschmeckte. Frisch gebraten, frisch pochiert. Ohne Zusatzstoffe. Die merkt mein empfindlicher Magen morgens im Bett, wenn ich aus meinen kulinarischen Albträumen erwache. War es wirklich nur ein böser Traum? Oder entspricht er der Wirklichkeit? Sehr oft leider schon. Aber nicht überall, «meinti» ich. Denn es gibt sie Gott sei Dank noch, die Köche, die so fein und frisch und fröhlich kochen können. Wer sucht, der findet sie bestimmt. Und dann weitersagen. Mir auch, bitte.