Kolumne
«Ich meinti»: Nur kei Mais wäge e chli Mais

«Ich meinti»-Kolumnist Herbert Huber über sein Verhältnis zu einem ganz bestimmten Getreide.

Herbert Huber
Herbert Huber
Drucken
Herbert Huber, Koch, dipl. Hotelier und Buchautor aus Stansstad.

Herbert Huber, Koch, dipl. Hotelier und Buchautor aus Stansstad.

Bild: Nidwaldner Zeitung

«Mais isch gsund, macht gross und stark. Uusgässe wird jetzt, und basta!» So oder ähnlich versuchte mein Vater jeweils, mir die verhasste Polenta schmackhaft zu machen. Wahrscheinlich hätte ich lieber Pasta serviert bekommen als «basta» gehört. So wurgelte ich wohl oder übel die trockene Polenta hinunter. Das soll posthum kein Vorwurf an meine Mama sein, denn sie war eine hervorragende Köchin. Aber nach dem Krieg gabs halt ab und zu Nahrhaftes statt Luxuriöses. Geschadet hat es offensichtlich nicht. Immerhin habe ich es auf eine Länge von 1 Meter 86 geschafft.

So meinti ich, dass sich meine kindlichen Abneigungen irgendwann doch ausgewachsen haben. Denn, eine im gusseisernen «Chessi» über dem Feuer gerührte Polenta mit einem kräftigen Voressen oder Chüngel dazu ist göttlich gut. Oder mit Steinpilzen und ganz einfach mit Käse überbacken. Rezept-Inspirationen zuhauf gibt es bei den grossen Damen der Kochbücher, Annemarie Wildeisen, Elisabeth Fülscher, Ferran Adrià, Betty Bossi und Co.

Auch die Ureinwohner Mexikos wussten das einfach anzubauende Getreide offenbar ebenso zu schätzen wie ich heute. Es hatte sich dort im Laufe der Jahrtausende zur Lebensgrundlage entwickelt. Im heiligen Buch der Maya, «Popol Vuh», kommt man dem Mythos Mais näher. Maisgottheiten wurden von ihnen verehrt. Da gab es beispielsweise den Gott der Maisaussaat, Mahiz, und jeweils separate Göttinnen für den frischen und den trockenen Maiskolben.

Als Christoph Kolumbus 1496 von seiner zweiten Expedition nach Spanien zurückkehrte, brachte er «Maiskörner» mit. So wurde der erste Mais in Spanien angebaut, und er verbreitete sich innerhalb weniger Jahrzehnte über den gesamten Mittelmeerraum. Besonders in der Türkei – ein Grund, weshalb man dem Mais den Namen «grano turco» oder «Türkischkorn» verpasste. Noch heute wird in der Ostschweiz, vor allem im Rheintal, der heute im Projekt «Culinarium» eine Wiedergeburt erlebende Ribelmais als «Türggeribel» bezeichnet. Bereits im Italien des 17. Jahrhunderts war Mais ein Armeleuteessen. Abschätzig bezeichneten die Süditaliener ihre nördlichen Nachbarn als «Polentoni» – etwa «Polentafresser». Denn im Süden wurde Polenta an die Schweine verfüttert.

So meinti ich, ist die Zubereitung von Polenta auch von der «Bequemlichkeitsküche» längst entdeckt worden. Man kauft heute Polenta im Päckli, streut den Inhalt ins siedende Wasser oder in die Bouillon, rührt kurz um und lässt den Brei auf reduzierter Hitze ziehen, mischt Butter und Reibkäse darunter – und fertig. Natürlich ist die traditionelle Zubereitung für Feinschmecker vorzuziehen. So machen es vereinzelt noch Nonnas in Grotti oder zu Hause über offenem Feuer im Chupferkessi. Und die Polenta mit dem delikaten Röstaroma des seidenfeinen Maismehls aus dem Onsernonetal erobert zunehmend Tessiner Töpfe und Teller, ebenso die klassische Bramata, grober Griess aus alten, regionalen Vorarlberger Riebelmaissorten. Noch eine Rezept Idee: «Polentizza». Statt Pizzateig wird Polenta als Unterlage verwendet. Schmeckt herrlich!