Die Orange wird vermutlich seit dem Mittelalter verteilt. Heute Morgen hat allein die Zunft zu Safran in Luzern 1000 Kilogramm «abgeladen».
Der Urknall summt noch in den Ohren. Dann fliegen die ersten Orangen. Tausende Arme ragen gen Himmel, alle wollen eine Frucht fangen: «Brüeläää ...!»
Das Orangenauswerfen zur Fasnachtszeit hat nicht nur in Stadt und Kanton Luzern Tradition, sondern auch im Kanton Zug oder Schwyz und in einigen anderen Ländern. In Luzern liegt der Ursprung im Mittelalter. Der Fasnachtsumzug war eine Harnischschau, bei der die Luzerner mit ihren Waffen durch die Stadt zogen. Dabei wurde das Volk mit Orangen beschenkt. Diese exotischen Vitaminspender bekam man damals nicht alle Tage.
In den Kriegsjahren im letzten Jahrhundert waren keine Orangen erhältlich. In einer Publikation des Lozärner Fasnachtskomitees wird von «Kriegsorangen» berichtet: «Die Fritschileute warfen 6000 in orangefarbenes Krepp-Papier eingewickelte Holzwollkugeln aus.» Diese enthielten farbige Kartontaler, die gegen Marroni, Caramels, Rätschen oder Fasnachtsgüüggeli (Blasinstrument) eingetauscht werden konnten.
Seit wann Orangen in unserer Region bekannt sind, kann man nicht abschliessend beantworten. Heinz Horat, Historiker und langjähriger Direktor des Historischen Museums Luzern, hat uns Informationen bereitgestellt, die Licht in die Geschichte bringen könnten. So habe der Luzerner Stadtschreiber Renward Cysat – der an der Musegg einen weit herum berühmten Garten mit exotischen Pflanzen angelegt hatte – um 1600 erwähnt, wie er «Pomeranzenbäume» (Bitterorangen) züchte. Horat schliesst daraus: «Damals wurden Orangen also sicher nicht an der Fasnacht verteilt, die waren viel zu teuer und nur in kleinen Mengen erhältlich.» Sie seien von italienischen Händlern eingeführt worden, etwa von der Familie Brentano aus der Gegend am Comersee.
In Italien kennt man den Brauch des Orangenwerfens übrigens in einer rustikaleren Form. Beim historischen Karneval in Ivrea bei Turin wird jeweils die «Battaglia delle arance», die Orangenschlacht, zelebriert. Kostümiert bewirft man sich gnadenlos mit mehreren hundert Tonnen Orangen. Der Brauch stammt aus dem Mittelalter, als die Bewohner der Stadt einen grausamen Feudalherren mit essbaren Wurfgeschossen vertrieben. Es kommt Jahr für Jahr zu 150 bis 200 Verletzten.
Ab und an wird das Orangenwerfen auch in Luzern zweckentfremdet. Die Zunftleute werfen Orangen den «brüelenden» Zuschauern zu – und die Südfrüchte kommen zurück. So wurde etwa 2005 der Wey-Zunftmeister an der Tagwache von einer zurückgeworfenen Orange am Kopf getroffen. Eine gefährliche Unart, sehen doch die Zunftleute im Flutlicht nicht, was auf sie zukommt. «Die Zünftler werden jeweils vorgängig über die Art und Weise des Auswerfens instruiert, sodass die Orangen nicht zu Wurfgeschossen verkommen», erklärt Josef Kreyenbühl, Zeugherr des Innern der Zunft zu Safran.
Apropos: Die Zunft zu Safran verteilt am Schmutzigen Donnerstag eine Tonne Orangen. Die Roelli Gebrüder AG aus Luzern, die die Zünfte in Luzern und verschiedene Landzünfte beliefert, setzt 15 Tonnen während der Fasnacht ab. Auch die Mundo in Rothenburg verkauft gemäss einem Firmensprecher mehrere Lastwagenladungen. Es handelt sich um Blutorangen des Kalibers 8 – heisst: 8 Orangen ergeben ein Gewicht von einem Kilogramm.
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