Die Stiftung für appenzellische Volkskunde hat ihre Sammlung erweitern können. Es handelt sich um zwei Chlausengruppen des Künstlers Konrad Zülle, der in ärmlichen Verhältnissen aufwuchs.
Die Stiftung für appenzellische Volkskunde, deren Auftrag die Sammlung, Erforschung und Vermittlung von traditionellem Kulturgut des Appenzellerlandes ist, hat dank der Finanzierung durch die Dr.-Fred-Styger-Stiftung ihre Bestände qualitativ erweitern können.
Es handelt sich um eine Gruppe von schönen und eine weitere von wüsten Silvesterkläusen vom Maler und Holzschnitzer Konrad Zülle (1918–1988). Sie stammen aus dem Privatbesitz von Willy Ringeisen, Teufen, der über Jahrzehnte vor allem Bauernmalereien gesammelt und sich grosse Verdienste in deren Vermittlung erworben hat.
1988 widmete das Urnäscher Brauchtumsmuseum seine Jahresausstellung dem Künstler Konrad Zülle. Dazu erschien eine von Walter Irniger und Simone Schaufelberger-Breguet verfasste Begleitschrift, welche das Leben und Schaffen Zülles einfühlsam darstellt. Zülle gehört nicht zu den klassischen, vor allem im Volkskunde-Museum Stein und in Urnäsch vertretenen Bauernmalern wie beispielsweise Bartholomäus Lämmler (1809 –1865), Johannes Müller (1806–1897), Franz Anton Haim (1830–1890), Johannes Zülle (1841–1938), der ein Grossonkel von Konrad war, sowie Johann Jakob Heuscher (1843–1901). Konrad Zülle könnte man als bäuerlichen Naiven bezeichnen. Die Themen bei vielen seiner Bilder sind zwar weitgehend die gleichen wie bei den Klassikern (Viehhabe, Alpfahrten), aber die Ausdrucksweise ist anders: weniger Standards folgend und gestalterisch viel freier.
In einem Punkt bestehen aber grosse Ähnlichkeiten zwischen vielen Bauernmalern des 19. und 20. Jahrhunderts. Sie lebten in der Regel in bescheidenen, ja ärmlichen Verhältnissen. Die Fotografien zeigen es. Zülle lebte nach vielen Wohnortswechseln am Schluss in Marbach in einem winzigen Haus. Wohn-, Schlaf- und Arbeitsraum bildeten ein nicht voneinander getrenntes «Biotop».
Konrad Zülle hatte eine harte Jugend. Er wurde am 11. Juni 1918 in Waldstatt als Sohn eines Bauern geboren. Im Alter von 17 Jahren zog er von zu Hause weg und arbeitete an verschiedenen Orten als Knecht. Er wechselte seine Arbeitsplätze mehrmals, war später selbstständiger Bauer und viele Jahre Alphirte im St.Galler Oberland. Ab 1960 trieb Zülle zur Aufbesserung seines Verdienstes Kleinhandel mit Schellen und eigenen Schnitzereien. Ab Ende der Siebzigerjahre malte Zülle mehr oder weniger regelmässig Bilder. Diese verkaufte er auf Viehmärkten, Sennenfesten oder als Hausierer.
Im August 1986 erlitt Zülle einen Schlaganfall mit teilweiser Lähmung der rechten Körperseite und einer Sprachstörung. Dadurch war er gezwungen, mit der linken Hand zu malen. Seine in den letzten anderthalb Jahren gemalten Bilder wirken dadurch «künstlerisch gewagter».
Konrad Zülles Holzwerk lässt sich grob in zwei Schaffensphasen mit unterschiedlichem Ausdruck einteilen. Die Fotografie mit der grossen Kuh und dem kleinen Sennen mit der kleinen Kuh im Vordergrund aus dem erwähnten Ausstellungskatalog verdeutlicht dies. Nach dem Schlaganfall von 1986 konnte Zülle das Messer praktisch nicht mehr führen. Dadurch entstanden monumental wirkende Figuren wie die abgebildete Kuh. Konrad Zülles Schnitzerei besticht vor allem durch die Breite an Themen. Nebst den gängigen Themen wie Alpaufzügen, Sennenfiguren und dem Bloch finden sich Musikanten, Alphornbläser, Schellenschötter, Streichmusik, schöne und wüste Kläuse und die zur Landsgemeinde fahrende Kutsche mit den Regierungsräten.
Als Konrad Zülle einmal nach Angaben zu seinem Leben gefragt wurde, soll er folgende Antwort gegeben haben: «Wenn’s sein muss, dann schreibt halt, Beruf, keinen – er war ein fauler Bauer und sein ‹Vechli› hatte nichts davon. Deshalb hat er angefangen, seine Kühe selber zu machen, aus Holz, die brauchen nichts zu fressen …» (Ida Niggli: Appenzeller Bauernmalerei).