Kaisten
Ein Nachmittag auf dem Tierlignadenhof: Hier dürfen Hündin Stella, Schwein Luna und Pferd Carinto sie selbst sein

180 Tiere leben derzeit auf dem Tierlignadenhof in Kaisten. Schweine, Pferde, Hunde, Meerschweinchen, Hasen, Hühner, Ponys. Wir haben bei einem Besuchstag vorbeigeschaut – und erfahren, welche Freude die Arbeit mit den Bewohnern macht, aber auch, wie herausfordernd sie sein kann.

Hans Christof Wagner
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Der Tierlignadenhof Kaisten veranstaltet regelmässig Besuchstage. 180 Tiere leben derzeit dort, auch Stella, die schwarze Dogge-Hündin.

Der Tierlignadenhof Kaisten veranstaltet regelmässig Besuchstage. 180 Tiere leben derzeit dort, auch Stella, die schwarze Dogge-Hündin.

Hans Christof Wagner

Hier kommt Stella. Sie ist sicher das Erste, was die siebenköpfige Besuchergruppe an diesem Nachmittag wahrnimmt. Kein Wunder – ist das schwarze Energiebündel, das auf die Wartenden zuschiesst, doch 60 Kilo schwer, eine Deutsche Dogge, und doch die pure Sanftmütigkeit. Sie will erst einmal alle begrüssen. «Langsam, Stella, langsam», ruft ihr Stefanie Sutter hinterher, mit eher mässigem Erfolg. Stella ist seit einem Jahr im Tierlignadenhof Kaisten zu Hause.

Stella hat das Eis gebrochen. Binnen Sekunden sind die Besucherinnen und Besucher mittendrin im Geschehen, herzen und streicheln Stella, Lotta, die taube Podengo-Hündin, und Kira, die quirlige Zwergspitz-Dame. Bianca und Jimmi, die beiden Ponys, 28 und 29 Jahre alt, stupsen die Gäste immer wieder sanft an. Uns gibt es auch noch, scheinen sie zum Ausdruck bringen zu wollen. Kümmert euch mal.

Bianca und Jimmi, die beiden Ponys, sind mit 28 und 29 Jahren schon recht betagt.

Bianca und Jimmi, die beiden Ponys, sind mit 28 und 29 Jahren schon recht betagt.

Hans Christof Wagner

Es ist Besuchstag auf dem Tierlignadenhof Kaisten. Unter den sieben Besucherinnen und Besuchern sind auch Claude und Betti Bühlmann aus Möhlin. Sie wollen herausfinden, ob sich ein Besuch mit der ganzen Familie lohnt. Sie denken, ja. Markus und Daniela Schwarz aus Effingen sind auch dabei. Sie, selbst Katzenhalter, sind das erste Mal hier, wollen wissen, wie es auf einem Tierlignadenhof so zu- und hergeht.

Früher, noch zu Zeiten von Tierlignadenhof-Gründerin Monica Spoerlé, gab es keine fixen Besuchstage. Jeder konnte spontan vorbeikommen. Aber die heutige Zahl der dort betreuten Tiere lässt das nicht mehr zu. Stefanie Sutter sagt: «Als ich und meine Schwester Janina 2019 den Betrieb übernommen haben, waren es 130 Tiere. Heute sind es 180.»

Es sind Pferde, Ponys, Esel, Hunden, Katzen, Schafe, Ziegen, Schweine, Hasen, Hühner, Enten und Gänse.

Stefanie Sutter und Mitarbeiterin Fabienne Liechti bringen die Pferde und die Esel von der Koppel in den Stall.

Hans Christof Wagner

Und darunter sind eben auch Hunde, die nicht so menschenfreundlich sind wie Stella und Co. Bei denen kann sie eine Begegnung mit Fremden teils nicht verantworten. Dafür seien die Tiere oft zu verstört und zu traumatisiert. Aber: Dass Stella und Co. so gut mit Fremden können, kommt auch nicht von ungefähr. «Glauben Sie mir, sie so weit zu bringen, war ein grosses Stück Arbeit», sagt Stefanie Sutter.

Die Dogge verhält sich sogar in der Katzenstation mustergültig, denn dorthin will und darf sie auch mit. 38 Katzen leben dort – so viele wie noch selten. Markus und Daniela Schwarz überrascht es, wie zutraulich, verschmust und streichelbar hier alle 38 Stubentiger sind.

In der Katzenstation leben aktuell 38 Tiere. Zutraulich, verschmust und streichelbar sind hier alle.

In der Katzenstation leben aktuell 38 Tiere. Zutraulich, verschmust und streichelbar sind hier alle.

Hans Christof Wagner

Eingewöhnung ins Katzenrudel teils extrem belastend

Doch das Bild der harmonischen Katzen-WG kann auch täuschen. Einige hier haben wenig schöne Vorleben mitgebracht. Lebten sie früher allein mit einem Menschen zusammen, war für sie die Eingewöhnung ins Rudel des Tierlignadenhofs teils extrem belastend, wie Stefanie Sutter erzählt. Sie kennt alle Katzen beim Namen und ihre Geschichten. Sie sagt auf die Frage von Claude Bühlmann: «Ja, ich habe sie alle gleich lieb.»

Der Tierlignadenhof Kaisten macht regelmässig Besuchstage. 180 Tiere leben derzeit dort, seit kurzem erst auch Schwein Luna.

Der Tierlignadenhof Kaisten macht regelmässig Besuchstage. 180 Tiere leben derzeit dort, seit kurzem erst auch Schwein Luna.

Hans Christof Wagner

Aber die Arbeit auf einem Tierlignadenhof heisst auch: Die Tiere kommen und gehen. Und sie gehen zu lassen, kann auch sehr belastend sein.

Gekommen erst vor fünf Tagen ist Schwein Luna. Aus einem Mastbetrieb im Appenzellerland stammend, retteten sie Tierschützer vor dem Metzger und brachten sie in Kaisten unter. Jetzt steht sie in der geräumigen, mit Stroh ausgelegten Box und hat es unter der Wärmelampe warm und gemütlich. Bald wird das Team sie mit Artgenossin Page gemeinsam halten. Doch dafür, dass die beiden jetzt schon zusammenleben, ist es noch zu früh.

24 Meerschweinchen auf einen Schlag

Auch 24 Meerschweinchen auf einen Schlag haben sie jüngst aufgenommen. Jetzt leben die mit den Hasen und, weil die Hühner wegen Geflügelgrippe nicht draussen sein dürfen, auch mit denen in einem Stall zusammen. Und es funktioniert.

Auf der Koppel des Tierlignadenhofs grasen Pferde und Esel einträchtig nebeneinander.

Auf der Koppel des Tierlignadenhofs grasen Pferde und Esel einträchtig nebeneinander.

Hans Christof Wagner

Auf der Koppel stehen die Pferde und die Esel beieinander, grasen. Timon und Carinto sind darunter. Timon war früher Dressurpferd im Circus Nock, Carinto Springpferd. «Bei den Turnieren hat er sich die Vorderbeine ruiniert», erzählt Stefanie Sutter. Er sei danach an eine Reitschule verkauft worden, aber auch da nicht mehr lange brauchbar gewesen.

Jetzt lebt er im Tierlignadenhof in Kaisten und muss, wie alle hier, nicht mehr funktionieren, kein Statussymbol mehr sein oder dem Menschen gehorchen. Hier kann er, auf seine alten Tage, wieder er selbst sein.

Aber Tieren ein solch freiheitliches Leben zu ermöglichen, kostet Geld. Das wissen auch die Besuchenden an diesem Nachmittag. Und so stecken sie Stefanie Sutter nach der mehr als einstündigen Führung auch so manche Geldscheine zu. Und – klar – herzen zum Abschied nochmals Stella.